Szenen und Figuren

Wir stellen alle Szenen einzeln vor und gehen dabei jeweils auf die Krippenfiguren, die Mechanik und die Besonderheiten ein. Bei der Reihenfolge unserer Beschreibung orientieren wir uns an dem 19-teiligen Raster der Krippe, das aus den Terrassen (1-5) und den je vier Segmenten pro Ebene (A-D) ergibt. Zum Vergrößern können die Bilder einfach angeklickt werden. Mitunter ist auch ein Youtube-Film verlinkt, der die jeweilige Krippenszene in Bewegung zeigt. 

Tierkarawane (1A)

Figuren
Als Erstes zieht vor der Kulisse des Pilgerhäusls eine Tierkarawane auf. Zu diesem Treck gehören elf Figurengruppen: sechs Dromedare (davon eins mit Esel), drei Kamele, zwei Esel und ein Elefant sowie ihre jeweiligen Reiter bzw. Führer. Bemerkenswert ist die geografische Vereinigung der Krippe. Mit den Wüstentieren und den Schirmakazien hat die Malerwerkstatt der Krippe einen orientalischen Charakter verliehen; die Menschen jedoch stammen aus dem Abendland. Das drückt sehr schön das Verlangen aus, das Weihnachtsgeschehen von Bethlehem in die eigene Heimat zu holen.

Mechanik
Die zwölf Figuren haben sich ursprünglich nicht bewegt – zumindest sind keine Spuren der alten Mechanik erkennbar. Doch es bietet sich an, die Karawane auf einem Band „laufen" zu lassen. Das Grundprinzip dieser Konstruktion ist denkbar einfach: Die Figuren sind auf einem geschlossenen Zahnriemen aufgeklebt. Zwei Zahnriemenscheiben mit je 60 Zähnen setzen dieses Gummiband in Bewegung, wozu natürlich noch ein Antriebsmotor notwendig ist. Auf diese Weise ist die Hälfte der Figuren immer sichtbar, während die andere Hälfte unter der Platte wieder zurückgeführt wird.


Bemerkenswertes
Mit einem Maßstab von 1:30 gehört die Karawane mit zu den kleinsten Krippenteilen und wird daher auch auf der obersten Terrasse angeordnet. Die sieben bis acht Zentimeter hohen Figuren sind dennoch von hohem künstlerischen Wert. Das zeigt ein Beispiel, das auf dem nebenstehenden Foto stark vergrößert wurde. Obwohl der Kopf des Eselführers gerade einmal einen Durchmesser von 8 mm hat, also kleiner als ein Hemdknopf ist, lassen sich feinste Gesichtszüge erkennen.

Schafherde mit Eselskarren (1B)

Figuren und Mechanik
Diese Szene wird von vielen Schäfchen dominiert. Sie sind recht klein und stehen daher auf der obersten Terrasse. Doch der Eselskarren stiehlt den sympathischen Wollträgern die Schau. Denn er ist neben einem winkenden Passanten die einzige Figur, die sich bewegt. Angetreiben wird das Fuhrwerk durch ein gegenläufiges Rad, auf dem der Eselskarren aufsitzt. Kleine Drahtstacheln auf dem Holzreif sorgen für die nötige Traktion.

Restauration
Doch bevor der Eselskarren wieder rollen und der Kutscher dazu mit der Peitsche schnalzen konnte, war eine aufwändige Reparatur vonnöten. Die ursprünglichen Holzräder waren zerbrochen und mussten durch neue ersetzt werden. Dabei konnte aber die alte bemalte Pappe, die auf den Rädern aufgeklebt war, gerettet werden. Dem Kutscher fehlte Kopf und Peitsche. Dem Esel war das linke Ohr abhanden gekommen und der Hals hatte einen Knick. Außerdem zerfiel der Karren in zwei Teile, weil die Deichsel zerbrochen war.


Besonderheiten
Doch wir sollten auch auf den Hirtenjungen schauen! Genauer gesagt: Wir sollten uns seine Rückseite besehen. Denn hier finden wir die bereits erwähnte Zahl „1848", die ein Indiz für das Jahr der Erstellung der Krippe sein könnte. Dass die Figuren in der Mitte des 19. Jh. entstanden sind, ist jedoch sehr wahrscheinlich. Denn in dieser Zeit waren viele Künstler und Krippenmaler in der Region tätig. Der bekannteste unter ihnen ist Joseph von Führich aus Kratzau/Chrastava mit seiner nach ihm benannten Krippe aus dem Jahr 1835.

Ausflugsziel mit schankenden Palmen und Wippe (1C)

Figuren
Diesmal bestimmen vier Figurengruppen das Szenenbild. Drei von ihnen lassen sich schnell erfassen: Am auffälligsten sind die beiden Burschen, die voller Lebensfreude auf einem Baumstamm wippen. Links von ihnen hat sich eine kleine Musikantengruppe versammelt, die vielleicht das passende Lied dazu spielt. Und ganz rechts im Bild ruht sich eine Familie im Schatten eines knorrigen Olivenbaumes aus. 

Besonderheiten
Der vierte Akteur hingegen ist nur erkennbar, wenn die Mechanik eingeschalten wird. Dann nämlich beginnen sich die sechs Palmen auf der linken Seite zu bewegen. Damit ihre Bewegung echt aussieht, haben die Krippenbauer den Stamm mit vier bis fünf beweglichen Segmenten angelegt, die mit einem dünnen Draht verbunden sind. Eine echte Seltenheit – nicht in der Natur, aber gewiss in den Krippenlandschaften.


Mechanik
Die Wippe bewegt sich, weil sie mit einem dünnen Faden an einen Holzstab gebunden ist. Dieser wiederum wird durch ein Rad mit Holzflügeln angehoben. Ganz ähnlich funktioniert auch das Schwanken der Palmen. Die Bäume sind auf einer Leiste aufgesteckt, die sich auf und nieder bewegt. 

Schwebefähre über die Neiße (1D)

Ein völlig neues Element
Beim Blick auf die kleine Schwebefähre, die sich langsam zwischen den zwei Holzmasten hin und her bewegt, werden Kenner der Region ausrufen: Das kann ja gar nicht stimmen!“ Und sie haben Recht, denn diese hölzerne Hängebahn stammt nicht aus der Hand der Krippenbauer. Das Original entstand erst 162 Jahre, nachdem die Engelsberger Papierkrippe erschaffen wurde. Es befindet sich 1,5 km südöstlich von Engelsberg und ist unter dem Begriff „Transbordér“ bekannt. Wir haben diese neuzeitliche Sehenswürdigkeit beim Wiederaufbau der mechanischen Krippe neu aufgenommen, damit die Krippenbesucher nicht nur in die Vergangenheit blicken, sondern auch Gegenwärtiges entdecken – ganz im Sinne des Weihnachtsgeschehens, das jedes Jahr aufs Neue eine Brücke in unser jetziges Leben schlagen will.

Figuren und Mechanik
Nur die Bäume, die rechts uns links von der Schwebefähre stehen, stammen von der ursprünglichen Engelsberger Krippe. Den Passanten haben wir durch die starke Verkleinerung einer Krippenfigur hinzugesellen können.

Technisch funktioniert unsere kleine Schwebefähre ähnlich wie eine richtige Seilbahn. Das grüne Seil wird über eine Umlenkrolle bewegt. Diese wiederum ist mit einem kleinen rotierenden Motor verbunden. Noch muss die Laufrichtung von Hand durch erneutes Einschalten gewechselt werden. Wir tüfteln jedoch schon an einer Lösung, damit die Schwebefähre ganz automatisch hin- und herfährt.


Hintergrundwissen
Anlass für den Bau des „Transbordérs“ war das August-Hochwasser 2010, bei dem in der Region elf Brücken verschwanden. Die Schwebefähre trat an die Stelle einer abgebrochenen Fußgängerbrücke über die Neiße unterhalb der Burgruine Hammerstein/Zřícenina hradu Hamrštejn. Wandersleute und Pilger auf dem Zittauer Jakobsweg sind darüber sehr glücklich, lässt sich doch auf abenteuerliche Weise der zwanzig Meter breiten Fluss überqueren. Es ist Muskelkraft vonnöten, denn die auf Rollen aufgehängte Gondel wird von Hand mit einem Seil bewegt. Die beliebte Schwebefähre bei Engelsberg/Andělská Hora kann sich rühmen, die erste und bisher einzige in Tschechien zu sein. Weltweit gibt es nur etwa zwanzig solcher Bauwerke. 

Schafherde mit schwarzem Schaf (2A)

Figuren
Nun kommt die zweite Schafherde herzu! Diese sanftmütigen Geschöpfe sind insgesamt mit über hundert Exemplaren in der Engelsberger Krippenlandschaft vertreten. Eine Schrift über das Königreich Böhmenvermerkt, dass Engelsberg/ einst zur Herrschaft Grafenstein gehörte. Interessant ist die Überlieferung einer Auflistung des Viehstands des Dominiums zum 30. April 1833. Demnach besaß die Obrigkeit 46 Pferde, 352 Rinder und 4.301 Schafe. Die Schafzucht war dabei allein den Herrschern vorbehalten. Genau genommen sind damit auch unsere Krippenschafe allesamt adlig!

Mechanik
Alle zwanzig Schafe der ersten Schafherde bewegen sich. Sie wackeln mit den Köpfen – manche gebeugt, um Gras abzurupfen; andere hochgestreckt, um vielleicht auf sich aufmerksam zu machen. Für die Bewegungen sorgt eine ausgeklügelte Mechanik, denn die Köpfe sollen natürlich nicht im selben Takt nicken. Möglich wird das durch fünf parallele Räder mit versetzt angebrachten Fortsätzen. Noch kniffliger ist die Bewegung des Hirten. Dieser steht auf und führt das Horn an den Mund. Dafür wurde ein Holzrad mit einem großen Buckel geschnitzt, so dass der Bewegungsablauf ganz geschmeidig vonstatten gehen kann.


Ententeich und Windmühle (2B)

Figuren
Die vierte Szene der Engelsdorfer Krippe enthält das einzige erhaltene Gebäude: eine kleine Windmühle. Der Rundbau gibt einige Rätsel auf, denn für Engelsdorf/Andělská Hora ist keine Windmühle überliefert. Am meisten Ähnlichkeit weist das Krippenelement mit einer Getreidemühle in Heinersdorf an der Tafelfichte/Jindřichovice pod Smrkem auf. Das vier Meter hohe und breite Bauwerk wurde 2002 aus historischen Relikten wiederaufgebaut. Wie auf der offiziellen Webseite der Region Böhmisches Paradies/Český ráj zu lesen ist, stammen die Originalteile aus den dreißiger Jahren des 20. Jh.

Besonderheit
Die erste neue Krippenfigur, die der Pilgerhäuslverein in die Engelsdorfer Krippe einfügt, ist ein Fisch – genauer gesagt: ein Seesaibling (Salvelinus alpinus), auch Rotforelle genannt. Diese Lachs-Art ist, wie der lateinische Name verrät, ein Fisch der Berge und stellt eine Verbindung nach Tirol her. Von dort kamen Künstler nach Böhmen und brachten die Kunst des Krippenhandwerks mit.


Mechanik
Das Rad des Handkarrens wird durch ein „unterirdisches" Laufrad angetrieben. Kleine Stacheln sorgen für die nötige Haftung. Mit dem Angler, der den schon erwähnten Seesaibling aus dem Wasser fischt, erlaubt sich der Pilgerhäuslverein eine kleine, aber sicher verzeihbare Eigenmächtigkeit. Denn ursprünglich hielt der Mann eine geknotete Peitsche in der Hand. Da aber offensichtlich das zugehörige Pferd ob solcher Gewalt schon ausgerissen ist – zumindest fehlt es in der Sammlung –, machen wir aus der Not eine Tugend und aus dem Viehtreiber einen Angler... Neu ist auch die Mechanik der drei Enten; sie sind auf einem Rad aufgesteckt, das sich unterhalb der Wasserfläche befindet.

Waldarbeiter (2C)

Figuren
Die neue Szene ist den Waldarbeitern gewidmet, von denen schon beim letzten Mal die Rede war. Sie sollen natürlich nicht nur jene Menschen darstellen, die das Licht im Stall zu Bethlehem noch nicht mitbekommen haben. Die Krippenbauer wollten auch das Alltagsleben der Menschen in die Krippenlandschaft einbringen. Engelsberg/Andělská Hora ist umgeben von Wäldern und natürlich spielte die Holzgewinnung auch schon im 19. Jh. eine große Rolle.

Hintergrundwissen
Was viele vielleicht nicht wissen: Als die Engelsberger Krippe entstand, waren die meisten Waldflächen in Mitteleuropa in einem bedauernswerten Zustand. Hatte der Mensch den Wald im Mittelalter durch Rodungen um 75% dezimiert, wurde nun auch noch der Rest durch ungezügelte Holzgewinnung und Nutzung als Waldweide ausgebeutet. Irgendwann waren die Flächen derart ausgebeutet, dass der natürliche Aufwuchs ausblieb und aufgeforstet werden musste. In diesem Zuge kam es zu einer noch stärkeren Entfremdung zwischen Mensch und Wald. Denn man unterteilte die Waldflächen in Schläge und behandelte sie wie Ackerland. Waldboden war da, um zu pflanzen und zu ernten. In unserer Region verschwanden auf diese Weise nahezu alle natürlichen Buchen-Tannen-Wälder. An ihre Stelle traten die langweiligen Fichtenkulturen, wie wir sie heute noch kennen.


Mechanik
Drei verschiedene Bewegungsabläufe mussten bei den Waldarbeitern unter den Hut gebracht werden. Während der Holzhacker und der Hirte einfach nur die Arme heben, gestaltete sich das Holzsägen wesentlich schwieriger. Schließlich braucht es – wie im richtigen Leben – den gleichen Rhythmus bei den beiden Arbeitern. Deswegen wird die Säge mittels eines dünnen Faden bewegt – sie gibt quasi den Takt vor.  

Kleine Kuhherde (2D)

Figuren
Unser Krippenmaler muss große Freude an der Vielfalt des Lebens haben, denn er bringt in den zwei Kuhherden gleich drei Rinderrassen in der Engelsberger Krippenlandschaft unter. Die Schwarzbunte ist uns allen geläufig, denn sie ist noch heute die häufigste Rinderrasse in unseren Breiten. Das Fleckvieh lässt sich an der braun-weißen Färbung erkennen. Diese Rasse stammt ursprünglich aus dem Berner Oberland und zeichnet sich durch ihre Friedfertigkeit aus. Eine einzelne Kuh hebt sich noch einmal von ihren gescheckten Kameraden ab; sie hat einen markanten weißen Strich auf dem Rücken: typisch für das Pinzgauer Rind. Die Rasse stammt ursprünglich, wie der Name verrät, aus dem Salzburger Land. Es ist eine typische Gebirgskuh, die sehr genügsam ist.

Bemerkenswertes
Wenn wir die Krippentiere und heutige Rinderbestände vergleichen, springen uns ein großer Unterschied ins Auge: Unsere Krippenkühe sehen viel fröhlicher aus: Sie müssen ja auch keine Hochleistungseuter mit sich herumschleppen und dürfen auch noch stolz ihre Hörner tragen. Bei Letzterem hat sich der Maler zwei wichtige Details von der Natur abgeschaut. Erstens gleicht kein Hörnerpaar dem anderen. Die Stirnfortsätze sind quasi das, was der Fingerabdruck für den Menschen ist: der Ausweis der Einzigartigkeit jedes Individuums. Wer die Lupe zur Hand nimmt, kann noch etwas auf den Krippenfiguren entdecken: die sogenannten Kälberringe. Diese Verdickungen der Hörner zeigen an, wie viele Kälbchen eine Kuh schon geboren hat. Während eine deutsche Kuh im Schnitt nur auf zwei Kälber kommt, haben die Engelsberger Exemplare vier bis fünf! Betrachten wir noch die anderen beiden Rinderassen!


Große Kuhherde (3A)

Figuren
Die große Kuhherde ist eine Ebene tiefer angeordnet, denn die Krippenfiguren sind wesentlich größer. Mit einer Widerristhöhe von 9 cm entsprechen die Kühe in etwa einem Maßstab von 1:15, während die Tiere der kleinen Kuhherde im Maßstab von 1:22 gemalt sind.

Zusammengehörigkeit
Die meisten Figuren der großen Kuhherde stammen aus dem ersten Teil der Schenkung, der sorgsam in der Holzkiste aufbewahrt wurde. Die kleine Kuhherde lagerte hingegen andernorts. An den Kühen wird deutlich: Diese zwei Krippenteile gehören zusammen. Die Tiere sind in denselben Farben und Fellzeichnungen angelegt. Auch die Mechanik stimmt bis aufs Detail überein. So finden wir erneut Kühe, die ihre Unterkiefer bewegen, ihre Köpfe zum Grasen neigen bzw. ihre Hälse nach oben recken.


Mechanik
Diesmal hilft uns ein Foto, die Mechanik für die Engelsberger Kuhherde zu verstehen. Vier Buchenholzräder wurden mit kleinen Flügeln – ähnlich wie bei Wasserrädern – versehen. Diese Flügel heben bzw. senken hölzerne Riegel und mit ihnen dünne Fäden, die an den beweglichen Teilen der Kühe angeknotet sind. Bemerkenswert ist die Vielfalt der Bewegungen: Zwei Kühe käuen wider, zwei andere kämpfen miteinander, während andere friedlich grasen. Am lustigsten ist eine Kuh, die sich mit dem Hinterbein kratzt.

Schafherde mit rufendem Hirten (3B)

Figuren
Nun erleben wir die erste und einzige Dopplung einer Szene. Denn der Hirte, der sich erhebt und dabei ein Horn zum Mund führt, steht bereits auf der vierten Terrasse. Freilich sind die Figuren nicht völlig identisch. Der Hirte trägt diesmal eine andere Kleidung und alles ist etwas großmaßstäbiger angelegt.

Verschiedene Maßstäbe
An dieser Stelle bietet es sich an, die unterschiedlichen Größen der einzelnen Figuren der Engelsberger Krippe genauer zu betrachten. Das nebenstehende Foto zeigt sehr schön, in welcher Spanne die Krippenfiguren angelegt wurden. Die größten Schafe haben eine Risthöhe von zehn Zentimetern, was einem Maßstab von 1:8 entspricht; das kleinste Schaf misst gerade einmal drei Zentimeter und ist damit im Maßstab 1:30 abgebildet. Zum Vergleich: Die Modelleisenbahn in der beliebten Spur Halbnull (H0) hat einen Maßstab von 1:87. Die Krippenbauer haben die Figuren bewusst in verschiedenen Größen angelegt: die größeren kommen immer in den Vordergrund, die kleineren nach hinten. Auf diese Weise entsteht eine beeindruckende Tiefenwirkung. Bei der Engelsberger Krippe können wir fünf Größengruppen unterscheiden. Am größten wirken die Heilige Familie sowie die drei Weisen aus dem Morgenland und die anbetenden Hirten. Die Erwachsenen haben eine Höhe von 22 bis 23 cm, was einem Maßstab 1:8 entspricht. Die vielen Tierherden, die auf den höheren Terrassen Platz finden, sind in den Maßstäben 1:10, 1:15, 1:20 und 1:30 angelegt.


Schafherde mit Glockengabel (3C)

Figuren
Die Kratzauer Krippenbauer haben an vieles gedacht, als sie die Schar an Figuren rund um den Stall von Bethlehem erschufen. Natürlich finden wir all jene, die auch in der biblischen Weihnachtsgeschichte genannt sind: die Sternendeuter aus dem Osten, die kostbare Geschenke bringen und auch die Hirten, die sichtlich vom Weihnachtswunder angerührt sind. Doch die Künstler gehen noch einen Schritt weiter: Sie berichten, wie unterschiedlich die Menschen auf das Weihnachtsgeschehen reagieren. Die einen eilen herbei, um sich von der geheimnisvollen Geburt des Retters selbst zu überzeugen; andere drängt offensichtlich die Sorge, die Heilige Familie könnte nicht genug zu essen haben. Daher werden unzählige Essenskörbe herbeigebracht. Doch die Krippenbauer zeigen auch jene, die anscheinend von all dem nichts mitbekommen haben und ahnungslos ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen.

Wieder ein Novum
Wir haben uns daher überlegt, etwas Neues in die Krippe einzufügen: eine Glocke, wie sie früher nahezu auf jedem Dorfplatz in den kleinen böhmischen Orten zu finden waren. Wenn es läutete, wussten die Menschen: Irgendetwas ist passiert. Sie strömten herbei, um den genauen Grund zu erfahren. Und mit so einer Glocke sollen auch all die geschäftigen Waldarbeiter, Viehhirten und Händler, die in der Engelsberger Krippenlandschaft unterwegs sind, wach gerüttelt werden. Und vielleicht erinnert auch uns das Glockenläuten, achtsamer zu werden für das Wunder, von der jede Weihnachtskrippe erzählen will. Bei der Engelsberger Krippe haben wir uns für eine schlichte Glockengabel entschieden. Wir finden solche historischen Relikte noch mitunter in abgelegenen Orten unserer tschechischen Nachbarn. Das obenstehende Foto zeigt ein besonders schönes Ensemble in Wolleschno/Olešno im Daubaer Ländchen. Die neue Glockengabel ist übrigens das einzige Krippenteil, das geschnitzt wurde.


Bau der Glockengabel und der Mechanik
Wir haben dazu zunächst eine authentische Vorlage gesucht. Dann wurde die grobe Form aus einem Stück Lindenholz gesägt und weiter durch schnitzen und schleifen herausgearbeitet. Beim Dach konnten wir auf eine Holzscheibe, wie sie auch bei der Mechanik zum Einsatz kommt, zurückgreifen. Den Kegel lieferte ein umgearbeiteter Spielzeugkreisel. Die Glocke verdanken wir den Schiffsmodellbauern, denn die legen Wert auf originalgetreue Miniaturen. Schließlich musste noch ein Hirte gewonnen werden, das ehrenvolle Amt des Glockenziehers zu übernehmen. Dazu wurde ihm ein neuer Arm verpasst, der mit einem Knotengelenk ausgestattet und auf diese Weise beweglich wurde. Ein kleiner Elektromotor sorgt dafür, dass die Glocke tatsächlich schwingt. Wenn wir ganz leise sind, können wir den schönen Glockenklang sogar hören.

Ziegenkarussell (3D)

Figuren
Wer die böhmischen Papierkrippen kennt, wird beim Anblick der Engelsberger Ziegen stutzen. Denn für gewöhnlich sind nur ein, zwei Exemplare dieser Haustiere vertreten, während bei unserer Krippe gleich eine ganze Herde aufmarschiert. Noch auffälliger ist der Unterschied in der Färbung. Anders als ihre „Landsleute" sind die Engelsberger Ziegen nicht weiß, sondern schwarz-weiß und braun-weiß gescheckt. Vielleicht wusste der Maler um die Besonderheit altorientalischer Rassen, die z.B. auch der englische Maler David Roberts 1838 auf einem seiner berühmten Reisebilder festhielt. Oder aber eine Südtiroler Krippe diente als Vorlage, denn auch in der Alpenregion wurden und werden gescheckte Rassen bevorzugt, da man solche Tiere besser auf dunklen wie auf hellen Flächen sichten kann.

Mechanik
Die Mechanik für die Ziegen ist übrigens eine neue Kreation, um etwas Bewegung in die lustige Schar der Hornträger zu bekommen. Dazu dreht sich ein 30 cm großer Teller, der von einem 4 Watt starken Synchronmotor angetrieben wird. Bei der Antriebsübertragung kommen Fallschirmseile zum Einsatz; diese lassen sich unter Hitze knotenlos verbinden und sind rau genug, um auf den hölzernen Schnurlaufrädern nicht durchzurutschen.

Hintergrund
Die Höhle ist aus Styrodur gefertigt – ein Baumaterial, das beim Dämmen von Gebäuden zum Einsatz kommt. Doch auch im Modellbau ist der Hartschaum sehr beliebt, weil er sich gut schneiden, schleifen und bemalen lässt.


Rauflustige Ziegenböcke (4A)

Figuren
Diese Szene wird von zwei streitlustigen Ziegenböcken bestimmt. Diese knallen mit ihren Köpfen aufeinander, um kurze Zeit später erneut Anlauf zu nehmen. Ein dritter Ziegenbock scheint mitkämpfen zu wollen, doch er bleibt unbeweglich. Einst hatte er einen eigenen Rivalen, doch der ging offensichtlich verloren. Ergänzt wird die Szene von zwei weiteren statischen Figuren: einem bemerkenswert farbenfrohen Hirten und einer Ziegengruppe, die dem wilden Treiben ganz ohne Kampfallüren zuschaut. 

Restauration
Die drei Ziegenböcke gehören zu jenen Krippenfiguren, die etliche Blessuren aufweisen. So mussten gebrochene Beine geschient, geknickte Hörner versteift und fehlende Bärte und Schwänze durch „Prothesen" ersetzt werden. Auf dem nebenstehenden Foto ist der Entstehungsprozess beispielhaft dokumentiert: Zunächst wird ein passendes Stück aus Pappe ausgeschnitten und angeklebt; danach erfolgt die Kolorierung mit Tempera-Farben.

Mechanik
Die ursprüngliche Mechanik für die beiden kämpfenden Ziegenböcke war zwar noch vorhanden, aber völlig desolat. Wir haben uns beim Ersatz für einen neuen Ansatz entschieden, Er hat den Vorteil, dass die Ziegen – wie in der Natur üblich – richtig aufsteigen, um sich dann kopfvoran dem Gegner entgegen fallen zu lassen. Ermöglicht wird das durch lange hölzerne Hebel, an denen die Ziegenböcke befestigt sind. Ein Rad mit Noppen schubst die Hebel weg, die Ziegenböcke entfernen sich und werden schließlich durch ein Gummiband wieder zusammengezogen.


Schafherde mit fütternden Hirten (4D)

Figuren
Auf den ersten Blick sieht diese Schafherde der vorherigen sehr ähnlich. Beide Hirten sitzen unter einem Baum und zu ihren Füßen weiden die Schafe. Doch wenn sich die Figuren in Bewegung setzen, lassen sich die Unterschiede schnell erkennen: Diesmal lockt der Hirte mit einem Grasbüschel in der Hand. Sobald er die Hand hochhebt, folgt ihm ein Schaf und reckt sich nach dem grünen Happen. Aufmerksamkeit verdienen auch noch zwei weitere Schäfchen. Das äußerste linke leckt sich die Flanke. Ein weiteres Schaf kratzt sich an einem Baumstamm. Beide Darstellungen sind in Krippenlandschaften recht selten.

Hintergrund
Wie jede andere Szene hat auch diese Schafherde eine Rückwand. Hier besteht sie aus einer Grünfläche. Die vierteilige Fotoserie zeigt die einzelnen Arbeitsschritte, die bei der Erstellung der Rückwand erforderlich sind: Zunächst wird eine Styrodurplatte mit einem Heißschneidegerät auf das richtige Maß gebracht. Danach werden Konturen herausgeschliffen und die gesamte Fläche mit einem sogenannten Primer grundiert. Letzteres ist erforderlich, damit das Styrodurmaterial farblich gestaltet werden kann. Bei der Engelsberger Krippe verwenden wir Acrylfarben. Anschließend wird die Fläche mit Weißleim eingestrichen und mit künstlichen Grasfasern bestreut. Ein kleines feines Gerät sorgt dafür, dass die Grasfasern elektrostatisch aufgeladen werden. Auf diese Weise richten sie sich auf der Leimfläche auf und sehen damit echtem Gras recht ähnlich.


Hirtenfamilie (1A)

Figuren
Mit der 16. Szene sind wir schon auf der untersten Terrasse und damit bei den größten Figuren unserer Krippe angekommen. Erneut begegnen uns zwei Hirten mit ihren Schafen. Und erneut werden Eierkörbe zum Krippenstall getragen. Wir können schon jetzt verraten: Die Heilige Familie kann sich auf 14 volle Körbe mit Eiern freuen. Vermutlich wollten die Krippenbauer damit andeuten, dass es vor allem die einfachen Leute sind, die ihr Letztes für das Jesuskind herbeischaffen. Denn Hühner gab es seinerzeit in jeder noch so armen Hütte.

Bemerkenswertes
Beachtung sollten wir auch der Hirtenfamilie in der rechten Bildhälfte schenken. Denn mit einem Maß von 25 x 34 cm ist sie die größte Figurengruppe; sie wird in der Höhe nur noch von den Palmen am Stall überragt. Aber es ist nicht nur die Größe, die beeindruckt. Auch die ausdrucksstarken Gesichter des Hirtenvaters mit seinen Kindern ziehen uns in den Bann. Vielleicht ist es der Moment, in dem uns bewusst wird, dass die Engelsberger Krippe mehr als ein mechanisches Wunderwerk und daher nicht mit den beliebten Märchenspielen in Oybin und Tauchritz zu vergleichen ist. Es wird nicht einfach nur eine Geschichte mit Figuren nachgebebildet. All die Hirten, Knechte und Mägde wollen uns selbst mit in die Geschichte hineinziehen. Die Kinder zeigen schon auf den Stall und ihre freudiges Erstaunen soll uns anstecken. Seien wir also gespannt, was in den nächsten Wochen noch kommt!


Am Stall (1B/1C)

Figuren
Wenn wir die Krippenfiguren rechts und links vom Stall betrachten, fallen uns sicher zuerst die 60 cm hohen Bäume auf. Ihre Kronen ragen bis hinauf zur letzten Terrasse und man mag im ersten Moment denken: Hier haben sich die Krippenbauer aber mächtig im Maßstab vertan. Doch weit gefehlt. Die hier nachgebildeten Exemplare – links eine Dattelpalme, rechts eine Schirmakazie – können in der Natur durchaus 15 m hoch werden. Da die Figuren der unteren Terrasse größtenteils im Maßstab 1:12 angelegt sind, wären unsere Bäume in Natura gerade einmal reichlich 7 m hoch. 

Und ein zweites Phänomen zeigt sich: Je näher die Geschöpfe an die Futterkrippe mit dem Jesuskind heranrücken, desto größer werden sie. Misst ein Kameltreiber auf der obersten Terrasse gerade einmal 6 cm, so sind die Hirten im Vordergrund fast viermal so groß. Doch zugleich sind es auch jene Gestalten, die sich klein machen. Ob Sternendeuter oder einfacher Hirte – beide fallen beim Anblick des Gotteskindes auf die Knie. Wahre menschliche Größe zeigt sich eben nicht an der Messlatte, sondern an einer empfindsamen Seele. Einer Seele, die eine tiefe Ehrfurcht vor dem Göttlichen erfüllt.

Was sicher nicht der Natur entlehnt ist, sind die farbenprächtigen Blumengirlanden, die den Stamm liebevoll umschlingen. Mit diesen zarten Blüten wollen die Krippenbauer vielmehr ausdrücken: Wenn wir uns dem Stall und damit dem kleinen Jesuskind nähern, beginnt alles aufzublühen. Die gesamte Schöpfung frohlockt. Das ist auch ein schönes Bild für das, was der Seele widerfährt, wenn sie Gottes Nähe erfährt: Sie blüht regelrecht auf.

Der Stall
Aufmerksamkeit verdient auch der Stall zu Bethlehem. Denn es steckt viel Liebe zum Detail in dieser Behausung für die Heilige Familie. Die Ständerkonstruktion und auch die Bretterverschalung sind aus Lindenholz gefertigt. Die Dachschindeln bestehen aus handgespaltenem Lärchenholz. Natürlich soll der Stall nicht wie ein Neubau aussehen; deswegen wurden alle Bauteile in mehreren Arbeitsschritten „gealtert". Mit einer Drahtbürste entstanden die für verwittertes Holz typischen Riefen. Verschiedene dünne Farbschichten dunkeln das Material nach und sorgen für die Nachbildung der natürlichen Patina. Das Besondere an unserem Stall: Die Tore lassen sich öffnen und schließen. Das ist wichtig, denn der Blick in den Stall soll künftig nur vom 1. Advent bis Mariä Lichtmess gewährt werden. Wer die Heilige Familie sehen will, muss sich also heuer bis zum 19. Dezember gedulden. Und er muss sich auf den Weg nach Hirschfelde machen.


An der Quelle (A4)

Bisher haben vor allem einfache Menschen – allen voran die vielen Hirten mit ihren Schafen – die Engelsberger Krippenlandschaft besiedelt. Doch nun treten zu den ärmeren Personen auch wohlhabende hinzu. Genauer gesagt: die Weisen aus dem Morgenland, von denen das Matthäusevangelium berichtet. Doch so sehr sich uns auch die Unterschiede dieser beiden Bevölkerungsschichten aufdrängen; es gibt auch etwas Bedeutendes, das sie vereint: Hirten wie Magier sind in der Nacht wach! Die Hirten wechseln sich ab, um in der Dunkelheit das Vieh zu bewachen. Die Weisen sind Sternendeuter und beobachten die Gestirne am nächtlichen Himmel. Die Nacht hat in der Bibel einen hohen Stellenwert. Es ist die Zeit, in denen der Mensch mit seinen Ängsten konfrontiert wird, doch es ist auch die Zeit der Gotteserfahrung. Beides ist oft eng miteinander verknüpft. Denken wir nur an Jakob, der vor seinem Bruder Esau flüchten muss und in der Nacht vom offenen Himmel träumt. Mehr noch: Gott gibt ihm das Versprechen: „Siehe, ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst, und bringe dich zurück in dieses Land. Denn ich verlasse dich nicht, bis ich vollbringe, was ich dir versprochen habe.“ (Gen 28,15) Die untere Terrasse der Engelsberger Papierkrippe markiert also auch einen zeitlichen Wechsel. Spielen sich die oberen Alltagsszenen am Tag ab, so treten wir jetzt in die Nacht ein und rücken so dem nächtlichen Weihnachtsgeschehen immer näher.

Neben der Nacht verdient bei unserer Szene ein zweites Element unsere Aufmerksamkeit: die Wasserquelle, die in der rechten Bildhälfte zu sehen ist. Wasser ist in der Bibel eines der wichtigsten Symbole. Es steht oft für das Überleben in der kargen Wüstenlandschaft, in der viele biblische Geschichten verortet sind. In Anlehnung an diese wichtige Funktion werden Wasserquellen häufig im Alten und Neuen Testament als Ort der Gottesbegegnung und der Lebenswende geschildert. Das vielleicht schönste Beispiel finden wir bei Hagar, die wegen der Demütigungen ihrer Herrin Sara in die Wüste flüchtet. An einer Wasserquelle erkennt die schwangere Frau, dass sie nicht verzweifeln muss; eine Bote Gottes findet sie und schenkt ihr neuen Lebensmut. So ruft sie dankbar: „Du bist ein Gott, der mich sieht!" (Gen 16,13). Biblische Autoren bringen daher die Wasserquelle auch gern mit der Liebe in Verbindung. Unsere Pärchen unter der Palme erinnert an die Szene, in der der Knecht Abrahams die Braut für Isaak findet. Wo Wasser ist, ist Gott und wo Gott ist, ist auch die Liebe. Deswegen darf natürlich der Brunnen in der Krippenlandschaft nicht fehlen.